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Juli 2015 | erste Reise

01. August 2015

Trotz guten Vorbereitungen haben wir diese Reise mit gemischten Gefühlen angetreten, denn wir wussten nicht was uns erwartet.

  • Wie werden die Bedingungen vor Ort sein? 
  • Werden wir mit unseren mitgebrachten Gütern (Medikamente, Saatgut, Kleider, Lampen und Moskitonetze) gut einreisen können?
  • Wird sich der Geldwechsel ohne grössere Probleme bewerkstelligen lassen?
  • Wie kommen wir mit dem mitgebrachten Material und vor allem dem noch zu besorgenden Material in das Dorf?

Viele Fragen, aber es sollte sich alles wunderbar ergeben.

Es geht los!

Beim Check-In am Flughafen Zürich können wir unsere sechs Gepäckstücke ohne Probleme aufgeben. Die erlaubten 60kg werden beim Wägen zu unseren Gunsten exakt erreicht; auch unser Handgepäcke mit je über 7kg wird akzeptiert. Die erste Hürde ist genommen und unsere Nervosität legt sich etwas. 14 Stunden später betreten wir nepalesischen Boden. All unsere Gepäckstücke liegen auf dem Rollband und wir verlassen erleichtert den Flughafen. Unser Freund Narayan winkt uns bereits zu und hängt uns Blumenketten als Willkommensgeschenk um den Hals. Während der Taxifahrt zum Hotel zeigen sich die ersten zusammengestürzten Bauten, jedoch sieht man auch deutlich, dass der Alltag bereits wieder zurück ist.

Dass die Medien vom einem zerstörten Kathmandu berichten, ist nicht ganz korrekt, denn dies schreckt die Touristen ab, obwohl es für diese kaum einen Unterschied betreffend Lebensqualität zu vorher gibt.

Die ersten Tage in Kathmandu sind für das Organiseren vorgesehen. Unser Freund Narayan ist viel am telefonieren, wir sitzen daneben, trinken Tee und treffen Entscheidungen.
Wir müssen die Schweizer Franken (14‘000 CHF) in nepalesische Rupien umwechseln. Eine Wechselstube bietet uns einen guten Wechselkurs an. Nach nur 10 Minuten warten bekommen wir einen enormen Stapel Banknoten, welcher einen ganzen Tagesrucksack füllt.
Schritt zwei ist die Aufstockung unseres mitgebrachten Materials, sodass alle 32 Familien in Bhumesthan eine Lampe und ein Moskitonetz bekommen, es soll ja schliesslich fair sein. Wir kaufen 22 Stirnlampen mit zusätzlichen Batterien und bestellen auf dem lokalen Markt 11 nepalesische Moskitonetze.
Für einen Dorfteil in Phulkarkas, welcher von einer ethnischen Minderheit bewohnt wird - den Gurungs - wollen wir Nahrungsmittel mitbringen. Narayan bestellt die Nahrungsmittel telefonisch und lässt diese direkt ins Dorf bringen.

Abenteuerliche Reise

Unsere Reise Richtung Dorf beginnt mit einer Taxifahrt nach Dhading Besi, dem District Hauptort der Region. Nach gut 3 Stunden erreichen wir die auf ca. 700 M.ü.M liegende Kleinststadt. Für den nächsten Tag planen wir mit einem Jeep ins Dorf zu fahren, dieser jedoch sagt uns  kurzsfristig ohne Begründung ab. Wir müssen uns also nach einer anderen Möglichkeit umsehen. Glücklicherweise sind die bestellten Nahrungsmittel bereits in Dhading Besi und werden am nächsten Tag mit einem 4WD Truck ins Dorf gebracht. Der Fahrer erklärt sich bereit uns ebenfalls - gegen einen Aufpreis - mitzunehmen. Glück gehabt, denn ein 35km Marsch bei ca. 32°C und 90% Luftfeuchtigkeit wäre doch sehr anstrengend. Wir dürfen in der Kabine des Trucks mitfahren, weitere Passagiere müssen auf der Ladefläche Platz nehmen.

Los geht die Fahrt auf halb befestigter Strasse - von Stunde zu Stunde jedoch verschlechtert sich der Strassenzustand zunehmend. Teilweise knietiefe, mit Wasser gefüllte Gräben muss der Truck bewältigen. Doch für den erfahrenen Fahrer stellt dies kein Hindernis dar. Wir verstehen nun auch warum uns der Jeepfahrer abgesagt hat - mit kleinen Rädern ist hier ein Durchkommen unmöglich. Der Truck quält sich durch den Schlamm den Berg hinauf  -  Passagen die nicht befahrbar sind werden kurzerhand irgendwie befahrbar gemacht. Nach einem Umweg -  ein anderer Truck blockiert die Strasse und eine Reparatur an unserem Truck - gebrochener Feder - erreichen wir Bhumesthan nach etwa 12 Stunden Holperfahrt.

Zum Glück hat es erst am späten Nachmittag zu regnen angefangen - ansonsten wäre es sehr schwierig geworden, unser Ziel zu erreichen.

Ein herzlicher Empfang erwartet uns und wir beziehen unser Nachtlager, welches extra für uns an einer der temporären Wellblechhütten angebaut worden ist. Ehrlich gesagt, wir hätten fast lieber im Zelt auf unseren bequemen Matten geschlafen als auf diesem harten Brett ;-)

Am nächsten Morgen beginnen wir mit unseren Aufgaben und verteilen zuerst die mitgebrachten Nahrungsmittel an die Familien der Gunrung. Alle haben sich beim Dorftreff Bhumesthans eingefunden und werden anhand einer Liste einzeln aufgerufen. Zum Nahrungsmittel-Paket gehören je ein 25kg Sack Reis, 2kg Linsen, 1L Speiseöl und ein 1kg Salz. Dankbar nehmen, meistens Frauen, das Essen entgegen und tragen es etwa eine Stunde den Berg hoch zu ihren Häusern. Eine alte Frau bedankt sich überschwenglich, sie nimmt uns in die Arme und drückt uns einen nassen Kuss auf die Wange. Leider verstehen wir ihre Worte nicht - aber man spürt die Dankbarkeit auch so! 

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Anschliessend machen wir uns auf den Weg, um uns ein Bild vom Dorf zu machen. Im Gegensatz zu anderen Dörfern und Regionen, welche wir auf der Reise hierhin durchquert haben, bietet sich uns in Bhumesthan ein Bild der Zerstörung. Die Dorfbewohner zeigen uns wo ihre alten Häuser gestanden sind. Die meisten sind komplett zerstört und nur noch ein Haufen Steine ist von den hübschen traditionellen Häusern übriggeblieben. Bei anderen sind ganze Wände eingestürzt oder herausgebrochen - oder aber das Haus steht zwar noch, hat jedoch so viele Risse in den Mauern, dass es unbewohnbar ist. Es ist kaum zu glauben welchen enormen Schaden die zwei schweren Erdbeben hier angerichtet haben. Mit Händen und Füssen wird uns erklärt, wie sehr es gebebt hat - die Bäume hätten links und rechhts auf den Boden aufgeschlagen - so stark sei das Beben gewesen.

Aber das Leben geht weiter. Kein Gejammer, stattdessen wird vorwärts geschaut und das Beste daraus gemacht.
Die temporären Wellblechhütten sind erstaunlich stabil gebaut - sie trotzen Wind und Wetter - zumindest einen Monsun lang. Die Wellbleche wurden von verschiedenen Organisationen zur Verfügung gestellt. Zusätzlich haben die Leute Holztüren und Innenwände, welche sie aus den Trümmern geborgen haben wieder verwendet, um der neuen Behausung eine kleine innere Struktur zu geben.

Weiter geht es zum Headquater of Phulkharka. Die Tragödie hat in ganz Phulkharka 28 Todesopfer gefordert.  Die Hinterbliebenen der Opfer erhalten von uns eine finanzielle Unterstützung. Alle Familien werden zusammengerufen und ebenfalls mittels einer Namens-Liste aufgerufen, so dass niemand vergessen geht.

 Die Schule Phulkharkas ist ebenfalls in einem grauenvollen Zustand. Von den Gebäuden stehen gerade noch 3 - nur das vor ein paar Jahren von Italienern erstellte Hauptgebäude ist noch in sehr gutem Zustand. Auf dem grossen Platz vor der Schule sind Zelte und Wellblechhütten aufgestellt, welche notdürftig als Klassenzimmer herhalten müssen. Die Schule unterrichtet etwa 780 Schüler, wovon etliche Schüler bis zu 3 Stunden Fussmarsch jeden Tag zurück legen. Das Schulkomitee erwartet uns und wir überreichen 300‘000 Rupien zur Unterstützung. Wir lassen dem Komitee freie Hand wie sie dieses Geld am besten einsetzen wollen. Sie bedanken sich herzlich für diesen grosszügigen Beitrag, auch wenn dies natürlich nur ein Tropfen auf den heissen Stein ist. Es wird uns gesagt, dass wir bisher die grössten Spender sind, was bedeutet, dass unser Beitrag für die Ersthilfe verwendet wird. Es müssen wieder Möbel und Einrichtungsgegenstände beschafft werden, so dass ein einigermassen geregelter Schulablauf sichergestellt werden kann.

Zurück geht es nach Bhumesthan. Alle Kinder versammeln sich um die mitgebrachten Kleider. Die meisten Kinder sind jedoch grösser als uns gesagt worden ist - wir haben jedoch eher Kleider für jüngere Kinder dabei - aber es findet sich trotzdem für jedes Kind mindestens ein Kleidungsstück. Geduldig warten sie bis wir ein Kleidungsstück hochhalten und auf ein Kind zeigen, welches ungefähr die richtige Grösse haben könnte. Nach erfolgreichem Anprobieren strahlen die Gesichter. Einzig bei einem Sack voller Socken läuft die Aktion nicht mehr ganz so gesittet. Wer hätte gedacht, dass Socken so beliebt sind :-) Gelächter bei den älteren Zuschauern und uns über diesen Andrang und diese Freude.

Die Abende verbringen wir gemütlich bei Narayans Familie und Nachbarn. Wir werden stets bekocht, bekommen immer wieder Tee angeboten und versuchen nebenbei uns mit Händen und Füssen zu verständigen. Auch unsere Freunde vom Trekking 2010 treffen wir wieder - es ist schön so viele bekannte Gesichter zu sehen.

Geduscht wird im Freien. Eine Quelle direkt im Dorf wurde zu einem grossen Brunnen ausgebaut. In der Hitze ein Segen!

 Nun sind die Einwohner von Bhumesthan an der Reihe. Das ganze Dorf versammelt sich beim Dorftreff  „Lazy Stone“ - so etwas wie ein Gemeindehaus gibt es nicht. Bhumesthan liegt an einem steilen Hang und besteht aus ca. 5 Häusergruppen, wovon jede Gruppe einen Vorsitzenden für das „Bau-Komitee“ bestimmt hat. In Anwsenheit des ganzen Dorfes überreichen wir dem Komitee 600‘000 Rupien für den Wiederaufbau. Grosser Applaus begleitet die Übergabe.


Weiter übergeben wir eine Kiste mit Medikamente und Verbandsmaterialien. Als Sanitätsposten dient das Haus von Narayans Bruder Arjun. Diese Anlaufstelle wir noch am selben Tag mehrfach in Anspruch genommen.

Ein Sack voll Saatgut überreichen wir dem „fleissigsten Bauern“. Er wird Setzlinge ziehen und diese dann verteilen. Narayan betont bei der Ansprache an die Bevölkerung, dass dies kein Monsanto Saatgut sei, einige nicken anerkennend. Wie bei jeder Übergabe applaudiert die Dorfbevölkerung.

Alle der 32 Familien in Bhumesthan erhalten nun noch eine Lampe und ein Moskitonetz. Für wenige Familien gibt es am Abend etwas Strom von einem kleinen Wasserkraftwerk - so können sie die Lampen mit Akkus auch wieder aufladen. Alle sind dankbar über unsere Güter. Vor allem ältere Menschen bedanken sich überschwenglich und können es teilweise kaum fassen. Es sei unglaublich, wir hätten überall auf der Welt hinreisen können -  aber wir sind hierhergekommen - um ihnen zu helfen.

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Wir merken, dass wir den Menschen mit dieser kleinen Hilfe viel Hoffnung und Zuversicht gebracht haben, dass es wieder vorangeht.

Am Abend trifft sich das "Bau-Komitee" um eine Strategie für den Wiederaufbau zusammenzustellen. Nach dem sie sich beraten haben, stellen sie uns ihre Resultate vor. Sie wollen sich von ihrer traditionellen Bauweise verabschieden und dafür erdbebensichere Häuser bauen - zumindest soll es in diese Richtung gehen. Wir begrüssen diese Entscheidung sehr. Mit unserer Unterstützung wird es sicher möglich sein, bei den 32 Häusern zumindest ein solides Fundament zu errichten. Um dies zu erreichen muss Zement, Sand und Armierungseisen eingekauft werden. Damit soll jedes Haus ein solides Fundament und vier oder sechs Pfeiler für ein Stockwerk erhalten. Zwischen den Pfeilern werden dann die Mauern im bisherigen Stil mit lokalen Steinen wieder aufgebaut. Ziegelsteine gibt es keine, da fast alle Produktionsanlagen in Nepal dem Beben zum Opfer gefallen sind. Die Dächer können sie mit Holz zimmern und Wellblech abdecken. 
Die Arbeiten werden von den Dorfbewohnern selbst ausgeführt -  ausgenommen bei Beginn müssen Spezialisten angeheuert werden, um das Know How zu vermitteln.

Die Kosten werden sich nach der überschlagsmässigen Rechnung auf rund 230‘000 Rupien belaufen. Wir sind guter Dinge und versprechen unser Bestes zu tun, um weitere Spenden aufzutreiben.

Es wäre natürlich schön, mehr Geld beitragen zu könnten, damit auch die Steine in den Mauern mit Zement befestigt werden können.

Somit ist unsere Aktion für den Moment beendet. Baubeginn wird im Oktober 2015 sein, sobald der Monsun vorbei ist, denn die schweren Lasten können nur über eine trockene Strasse vor Ort gebracht werden. Unser Ziel ist, dass alle 32 Häuser vor dem nächsten Monsun im Juni 2016 ein Fundament haben. Ein ambitioniertes Ziel - müssen die Bewohner nebst den Bauarbeiten auch noch ihre Felder bewirtschaften.

to be continued…

In Kathmandu verbrachten wir dann noch ein paar ruhige Tage und konnten so die vielen Erlebnisse etwas setzten lassen.

Es war wieder einmal eine sehr schöne Zeit in Nepal, trotz den vielen traurigen Geschichten, die wir gehört und gesehen haben.

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Der erste Teil unseres Projektes ist mit Erfolg abgeschlossen.

Nach 4 Tagen in Bhumesthan und einem guten Gefühl im Bauch reisen wir wieder ab. Wir sind gerührt, wieviele Dorfbewohner gekommen sind um uns zu verabschieden. Sie freuen sich sehr, dass wir im Herbst wieder kommen wollen.

Alle Bedenken, die wir im Vorfeld hatten sind weggewischt, denn alles ist extrem reibungslos verlaufen. Starke Unterstützung hat uns Narayan gegeben. Ohne seine Hilfe und die seines Bruders wäre dies niemals möglich gewesen. So denken wir, konnten wir die Spendengelder sehr sinnvoll und zweckmässig einsetzen.


Vielen Dank an alle Spender, ohne Sie wäre dies alles nicht möglich gewesen.

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